Stellungnahme zum Spendenzweck des Casinoabends 2022

Dieser Text ist eine Antwort auf eine Mail, die über den Schöner-Leben-Verteiler an uns gerichtet wurde. Falls ihr die Mail nicht kennt, könnt ihr sie hier nachlesen.

Liebe Liste,
 
nachdem nun etwas Zeit vergangen ist, möchten wir uns doch noch einmal zum Vorwurf äußern, mit der Unterstützung (u.a.) des BIPoC-Kollektivs aus den Casino-Einnahmen hätten wir „in Sachen Antisemitismus […] den Vogel abgeschossen“.
 
Die Kritik am BIPoC-Kollektiv ist uns nicht neu, immerhin wird diese Gruppe ja seit ihrer Gründung vor einigen Jahren hart angegangen – nicht nur szeneintern hier auf der Liste, sondern regelmäßig zum Beispiel auch in der deutschlandweit verlegten Jungle World. Der Ton dieser Kritiken war immer harsch, das Urteil absolut – auch bei unserer Meinung nach diskussionswürdigeren Themen als dem nun kritisierten Film. Trotzdem hat das Kollektiv weiter gemacht und die politische und kulturelle Landschaft in Göttingen bereichert, Anstöße geliefert und Themen auf die Tagesordnung gesetzt, die hier in der weißen Linken sonst niemals Beachtung gefunden hätten.
 
Die erwähnte Absolutheit der Kritik haben auch wir selbst schon erfahren, als im Rahmen einer online-Lesung Ausschnitte aus dem Zine der Besetzerinnen Gruppe transfläche gelesen wurden. Das gerade BIPoC Personen und trans Menschen besonders hart oder besonders öffentlich kritisiert werden und immer wieder mit Entsolidarisierung gedroht oder diese gefordert wird, ist in einer weißen und cis dominierten linken Szene kein Zufall, sondern fällt mir gesellschaftlichen Strukturen zusammen.
 
Auch jetzt scheint die Autorin davon auszugehen, dass eine Spende ans BIPoC-Kollektiv bedeutet, dass wir uns all deren Positionen zu eigen machen, und die Positionen beim BIPoC-Kollektiv ja ohnehin unumstößlich einheitlich seien. Unser Café ist ein Szeneort, an dem kritisiert, diskutiert, sich geeinigt, gelacht und sich verbunden wird. Aus so einem Ort kann man nicht alle rauswerfen, die mal was Dummes gesagt haben – und ehrlich gesagt wären dann wohl auch weder Gäste noch Mitarbeitende übrig. Die inhaltlichen Veranstaltungen bei uns sollen Beiträge zu linken Diskussionen sein und gleichzeitig vor allem feministischen Themen einen öffentlichen Raum geben. Das Kollektiv ist allerdings keine Politgruppe. Wir verstehen uns als Zusammenschluss, der so politisch ist wie seine Mitglieder – einzeln aber auch in der Auseinandersetzung miteinander. Jegliches Raumgeben für Veranstaltungen als uneingeschränkte inhaltliche Zustimmung zu werten, ist also unangemessen.
 
Natürlich hat das, was in unserem Laden stattfinden darf, bestimmte Grenzen und nicht alles, was linke Göttinger Gruppen so treiben, dürften sie auch bei uns (den Film hätten wir, unter Anderem aufgrund der politischen Positionierungen der Regisseurin, auch nicht gezeigt). Einen Szene- und Community Ort zu schaffen geht immer mit Auseinandersetzungen und Abwägungen einher, die nicht abseits von linken und feministischen Diskursen gesehen werden können und entsprechend in diese mit reinspielen. Einen Raum zu verwalten, der ebenfalls als ein Community Raum in einer mittelgroßen Stadt dient, heißt auch, kritisch mit gesellschaftlichen Strukturen und Ausschlüssen auch aus der linken Szene umzugehen.
 
Dass im Übrigen die Autorin ja in ihrer Mail eingangs festgestellt hatte, dass „die Linke“ ein Antisemitismus-Problem hat, die Kritik sich aber wieder und wieder nur auf das BIPoC-Kollektiv fokussiert, sollte da wohl auch zu denken geben. Denn Antisemitismus ist leider bei weitem nicht unser einziges Problem, und Antisemitismus immer nur bei anderen Aktivist*innen oder Strukturen zu sehen, nicht jedoch bei sich selbst, wird zu seiner Beseitigung nicht beitragen.
 
Kurzum, wir bleiben dabei und spenden die Einnahmen der Spiele 50/50 an das BIPoC-Kollektiv und das medinetz. Wir freuen uns über alle, die dem etwas abgewinnen können und auch alle, die das weiter kritisieren – ihr müsst ja nix spenden.
 
herzlich, euer café kollekiv krawall